Die Loreley

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der Sportauspuff hinterläßt Spuren

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ein Rätsel zum Schluß: Welche rote Fahrwassertonne gehört wohin?

Zur Auswahl stehen: Neckar, Niederrhein bei Neuss und Mittelrhein bei St. Goar.

 

 

Überführung Teil I 2008...

30.05.2008, Freitag Abend: Abschied von meinem Gastverein Bremen. Unser Ziel ist der Neckar bei Stuttgart. Fragen meiner Bremer Seglerkameraden:

"Noch nen Ölwechsel gemacht?"

"Ja."

"Habt Ihr die Übersicht mit den Wassertankstellen dabei?"

"Hm, ja."

"Sind die Schleusen alle in Betrieb?"

"Sicher."

"Ersatzimpeller dabei?"

"Klaro."

Gut daß mich niemand nach meinen eigenen Bedenken fragt: Wird der Motor halten? Immerhin haben wir auf unserer Reise von Bremen nach Stuttgart 942 km über Grund vor uns. Nur mit Maschine. Der Mast liegt. Und vor allem: Reicht die Motorkraft, um gegen die starke Rheinströmung anzukommen? 35 PS für knapp 5 Tonnen Schiffsgewicht sind nicht gerade luxuriös.

Die Fragen sind nicht zu beantworten. Um ab morgen für eine gute Reise der "guten Seemannschaft" zu sorgen bleibt nur: Wir prosten sämtlichen Gottheiten der Flüsse und Kanäle, unseren Bremer Kameraden und uns selber zu.

Abschied vom WWV in Bremen: Frühaufsteher Christiane, Holger und Wolfgang winken uns nach. 

 

Und los gehts...                                                              ...zur zahmen Weser

Es hilft: Die Weser zeigt sich am nächsten Morgen von ihrer ruhigen Seite. Liegt aber vermutlich nicht nur an unseren guten Bräuchen, sondern auch daran, daß man der Weser vor vielen Jahren durch insgesamt 7 Schleusen zwischen Bremen und Minden die scharfen Zähne gezogen hat. Die Weser hat kaum Gegenströmung und ist daher ruhig und angenehm zu fahren. Zudem sind nur wenige Berufsschiffe unterwegs. Kühe, Pferde und campierende Motorbootfahrer sehen uns vom Ufer aus zu. Und Hundertschaften Angler. Einer davon macht die fetteste Beute seines Anglerlebens: Die beladen knapp 5 Tonnen schwere "gute Seemannschaft" mit der Besatzung Roland, Stefan und mir. Das Anglerglöckchen schlägt wild an, der Angler erwacht und mit ihm sein Jagdinstinkt. Dann aber reißt die Angelleine. Großes Glück für uns. Der Mann war wild entschlossen, uns mit seiner Angelrute an Land zu zerren und auf den Grill zu werfen.

 

Stefan                                                                         Roland

Das Wetter meint es zumeist gut mit uns, und so nehmen in den ersten Tagen auf der Weser, dem Mittellandkanal, dem Dortmund-Ems-Kanal und dem Rhein-Herne-Kanal Besatzung und Boot eine gesunde, dunkle Farbe an. Die Besatzung von der Sonne, das Boot von der schaumigen Suppe, durch die wir fahren.

 

Die Scheibe wird neu poliert                                          Schlauchboot als Sonnenschutz beim Buffet

Trotz Zeitverlust aufgrund der Schleusen sind in den ersten Tagen jeweils 100 km drin. Das ist sehr erfreulich, allerdings wissen wir, daß die langsamen Passagen noch auf uns warten: 350 km auf dem Rhein.

 

Bremer Weserschleuse, unsere Erste.                            Schwimmpoller mit Stefan

Überhaupt, die Schleuserei: Anfangs ists interessant, dann wird’s zur Routine und irgendwann beginnts zu nerven. Schleusen haben glitschige, algenbewachsene, stinkige Wände, sie haben schaumiges und dreckiges Wasser, Strudel in der Schleuse versuchen das Boot tanzen zu lassen. Insbesondere die boshafte Schachtschleuse zu Minden mit ihren rund 13 m Hub und ihren garstigen Wasserstrudeln bereitet der Crew lange Arme beim Bemühen, das Boot an der Schleusenwand zu halten. Schleusen kostet auch Zeit, eine halbe Stunde meistens, manchmal auch eine Ganze. Wenn wenig Verkehr ist und der Schleusenmeister wachsam, dann steht die Schleuseneinfahrt bei Ankunft bereits offen und es kann sofort losgehen. Manchmal aber ist viel Berufsverkehr. Dann heißts warten, denn Berufsverkehr hat Vorrang in der Schleuse. Oder man schlüpft mit dem Binnenfrachter wie ein Parasit in die Schleuse. Sofern Platz ist. Kann man aber nachrechnen. Länge der Schleusenkammern stehen im schlauen Buch, Länge der Binnenfrachter stehen auf dem Schiffsrumpf. Manchmal schläft aber auch der Schleusenmeister. Dann heißts aussteigen und sanft wecken. Oder anrufen. Auch hier hilft das schlaue Buch.

      

Schachtschleuse Minden von außen                   13 Meter Hub in der Schachtschleuse Minden

In Wahrheit haben wir Schleusen aber lieben gelernt. Denn nur durch die Wasserstauung an den Schleusen lassen sich Flüsse wie Weser oder Neckar schnell und fast strömungsfrei befahren. Der Rhein hingegen hat auf unserer Strecke zwischen Duisburg und Mannheim keine einzige Schleuse. Folge: Starke Gegenströmung.

 

Warten vor der Schleuse Herne Ost                                Wildbach in der Schleuse Neckargemünd

Ein besonderes Spektakel kann es sein, gemeinsam mit alten Binnenfrachtschiffen zu schleusen. Die haben nämlich oft kein Getriebe. Daher schalten die Schiffer vor der Schleuse den Motor ab, lassen den Kahn mit seinen meist über 1.000 Tonnen in die Schleuse treiben und werfen in der Schleuse zum Abbremsen den Motor verkehrt herum wieder an. Der Kompressoranlasser macht dabei einen Höllenkrawall zwischen den engen Schleusenwänden. Für den Fall daß der Motor nicht mehr anspringen will gibt’s Fangzäune in der Schleuse, damit die Fuhre nicht mit Schwung samt Schleusentor in Richtung Meer schwappt.

Schippers Fruw nutzt die Schleuserei bisweilen, um mit frischem, schaumigem Schleusenwasser die Blumen an Deck zu gießen. An den schweren Festmachern vorne zerrt derweilen Schippers wackliger Opa. Schippers Jüngster beobachtets durch die Gitterstäbe seines Kinderpferchs auf dem Achterdeck. Personal ist teuer, und so muß oft die Family den Kahn in Bewegung halten.

Tag zwei der Reise: Mit dem Tip unserer Bremer Freunde Willi und Doris, die Weser und den Mittellandkanal anstatt den Küstenkanal zu wählen sind wir sehr zufrieden. Der Mittellandkanal ist noch ruhiger als die Weser zu befahren. Keine Strömung und kaum Schiffsverkehr, dafür badende Kinder, wiederum Angler, und in Vorgärten grillende Menschen. Wer am Mittellandkanal wohnt, hat am Heck der vorbeifahrenden Schiffe sicher schon viele verschiedene Heimathäfen gelesen. Den Gesichtern nach zu schließen dürfte der Riegsee aber bisher noch nicht dabei gewesen sein.

        

Am Mittellandkanal                                                               Baden im Dortmund-Ems-Kanal

 

Stau an der Baustelle im D-E-Kanal                               Und auch solches Wetter gabs mal

Im Dortmund-Ems-Kanal wird es am Tag drei der Reise etwas industrieller, noch mehr dann am Tag vier im Rhein-Herne-Kanal. Kinder springen zwischen Industrieruinen ins Wasser, schwimmen auf schwer beladene Binnenfrachter zu, klettern auf deren Laufdeck und fahren mit, bis der Bootsmann mit dem Bootshaken zur Begrüßung gelaufen kommt. Ruhrpott also, 390 km liegen schon hinter uns seit Beginn der Reise. Wir biegen bei Duisburg in den Rhein. Der Rhein führt Hochwasser, leider ist die Gegenströmung dadurch noch stärker als erwartet. Kaum mehr Fahrt über Grund, lange Gesichter an Bord. Statt der bisher 100 km pro Tag reichts nun trotz deutlich erhöhter Motordrehzahl gerade mal für 50 km. Manchmal auch für noch weniger.

 

Bierbowling mit Jutta in Münster                                     Clublounge in Oberhausen 

 

Servus in Krefeld                                                         Schildkröte im Niederrhein: Wandelt sich das Klima?

In Krefeld lasse ich am Tag fünf der Reise meine Mitfahrer Roland und Stefan aussteigen, da sie morgen ein Date mit ihrem Arbeitsplatz in München haben. Ich setze die Reise die nächsten 2 Tage alleine fort. Die Fahrt bleibt weiterhin zäh wie Honig. An manchen Stellen kann ich der Botanik beim Wachsen zusehen. Ich suche nach dem optimalen Weg durchs Wasser: Die Innenkurve hat meist weniger Strömung, aber oft ist das Wasser dort nicht tief genug. Fahrwassertonnen verbieten daher nicht selten die Innenkurve zu nutzen. Auf geraden Strecken zieht der Rhein am Rand immer weniger streng als in der Fahrwassermitte. Doch auch hier am Rand heißt der Gegner Wassertiefe. Manchmal nimmt die Strömung ab und die Fahrt wird schneller. Dann schaffe ich 6 Kilometer pro Stunde. Ich ermittle meine Geschwindigkeit, indem ich die Kilometersteine am Flußrand ablese und die benötigte Zeit mitstoppe. Manchmal schaffe ich aber nur 4-5 Kilometer in der Stunde. Dann nämlich wenn das Gefälle zugenommen hat oder sich das Fahrwasser verengt. Wenn Hindernisse wie bspw. Inseln im Fahrwasser liegen, nimmt die Strömung fast immer zu. Ich lasse den Motor dennoch zumeist nur mit ca. ¾ Drehzahl laufen. Mit Vollgas könnte ich meine Geschwindigkeit sicher noch um 2-3 km/h steigern, das Risiko daß der Motor oder die Welle überhitzt oder anderweitig die Technik schlappmacht ist mir aber zu groß. Ich brauche die Reserven noch für die kernigen Strecken im "Gebirge" des Rheins.

 

Hafen Düsseldorf                                                          Bayer Leverkusen 

 

Dom zu Kölle                                                               erste Hügel in Sicht bei Königswinter  

Am Rande des Fahrwassers beruhigen oft sogenannte Buhnen die Strömung. Buhnen sind Felsaufschüttungen unter Wasser. Die Buhnen sorgen dafür, daß direkt unter Land oft sogar eine Gegenströmung entsteht. Dort fließt das Wasser dann bergauf. Kajakfahrer nutzen den Effekt und überholen mich dadurch spielend. Man kommt in Versuchung, auch hinter die Buhnen reinzufahren. Sollte man mit 1,50 m Tiefgang aber bleiben lassen. Sonst holperts unten.

 

Allein am Rhein                                                            Die Brücke von Remagen 

 

Der Rhein zwischen Bonn und Koblenz                            alter Kran von Andernach

Samstag, 07.06.2008: Seit acht Tagen unterwegs, 570 von 942 km liegen hinter mir. In Neuwied steigt für einen Tag mein Kollege Heinz zu, in Koblenz dann für den Rest der Reise mein Seglerkumpan Martin. Wir fahren ein in die sogenannte Gebirgsstrecke am Rhein, und haben viel Zeit, eine einmalig schöne Landschaft zu betrachten. Felsen, Weinberge, Burgen, Schlösser, Winzerdörfer. Die Rundumsicht vom Boot ist besser als von einem Auto- oder Zugfenster. Und das Wetter spielt weiter mit. Aber der Weg wird steiniger. Die Felsen zwingen den Rhein nun in ein enges Fahrwasser. Die Strömung wird dadurch noch stärker, die Verwirbelungen im Wasser nehmen zu. Unsere Geschwindigkeit sinkt weiter. Der Kiel und das große Ruderblatt der "guten Seemannschaft" laufen jedem Strudel im Wasser hinterher. Ständige Korrekturen am Steuerrad sind notwendig, um das Boot auf Kurs zu halten, wir wechseln uns mit dem Steuern ab. Der Steuermann hat beide Hände am Ruder, kraftvolle Ausschläge sind nötig, damit das Boot nicht ausbricht. Jeder Ruderausschlag aber kostet Geschwindigkeit. Rheinfahren mit einem Verdrängerboot ist sehr anstrengend!

 

5000 Tonnen-Bummerl aus Oranjeland                           Viereckiges Bummerl mit runder Ladung                  

 

Heinz am Steuer                                                           Das deutsche Eck in Koblenz mit Rhein und Mosel

Und wir müssen im engen Fahrwasser ständig wachsam sein wegen des dichten Verkehrs an Personen- und Frachtschiffen. Gar kein Vergleich mit dem geringen Verkehr auf den norddeutschen Kanälen! Große Frachter von 5000 Tonnen und knapp 200 Meter Länge überholen uns an engen Stellen. Teilweise sogar zu zweit nebeneinander. Die meisten mit Oranje-Beflaggung. Die Schiffe passieren uns mit oft nur 3-5 Meter Seitenabstand. Am Bug führt der Frachter stets eine Welle, die schiebt uns erstmal an. Wenn die Welle aber durch ist, fallen wir ins Wellental mittschiffs des Frachters. Haben wir dann sein Heck querab, werden wir mit großer Kraft angesaugt. Paßt man dann nicht auf, klebt man an seiner Bordwand. Also beobachten und sobald das Saugspielchen losgeht kräftig gegensteuern. Ist der Frachter endlich durch, kann man auf seinen Heckwellen surfen. Das ist fein und bringt je nach Wellenhöhe einen Zugewinn von 2-3 km/h Fahrt. Manche Frachter machen große Wellen, manche kaum welche. Das liegt aber nicht an der Größe des Frachters, sondern an seiner Bauart.

 

Die Haifischbar zu Oberlahnstein                                         Lustig wars!

 

Copilot Martin am Tag danach: "Erst wär a bisserl Schlaf recht, und anschließend am besten gleich ins Bett."

Bordalltag spielt sich ein. Jeden Morgen technischer Dienst: Ölstand kontrollieren, Temperatur an der Welle, Seewasserfilter, Motortemperatur, Dieselstand. Paßt soweit alles. Jeden Tag gehts früh raus und abends spät rein. Meist finden wir für die Nacht einen Gastliegeplatz in einem der Motorbootvereine. Wir begegnen dort immer freundlichen Menschen. Die Vereinsheime, oft umgebaute Frachtkähne, sind meist mit Toiletten und Duschen ausgerüstet, am Gastliegeplatz bekommen wir fast immer 220 V-Strom. Der Gastliegeplatz kostet für die Nacht meist um die 10 €. Wenn das Boot endlich vertäut ist, kommt regelmäßig der Hunger durch. In kleineren Ortschaften muß man dann zusehen, daß man in die Kneipe kommt, bevor der Wirt die Küche schließt. Lange Abende werdens nur selten, denn deutlich vor Mitternacht fangen die Augendeckel meist schon zu klimpern an.

 

Weinberge am Rhein                                                     Unterwegs gibts opulentes Flußschiffermenu

 

Die Pfalz in Kaub                                                          Bacharach

Montag, 9.6.08, 10. Tag der Reise. Vor uns liegt das Stück, an dem der Rhein am stärksten zieht, gerne Herzstück genannt: Die Stromschnellen von Assmannshausen und das Binger Loch. Der Tag beginnt gut in Lorch am Rhein. Um halb sieben aufgestanden, im schwimmenden Clubhaus die Sandmännchen aus den Augen vertrieben, dann zum Bäcker in den Ort zum Frühstücken, beim Metzger rheinländische Wurst gekauft – "die is viel besser als wie in Bayern", erklärt uns ein anderer Metzgerskunde der dem Klang unserer Worte bei der Bestellung lauschte. Vorm Losfahren noch Ölcheck, Seewasserfilter, Dieselstand. Hoppla: Wasser in der Bilge? Wo kommt das her? Die Suche mit der Taschenlampe und einem Spiegel ergibt: Die Wellendichtung saut. Glücklicherweise aber nur wenig. Also: Schwamm in die Hand, Kopf und Arme in den Motorraum, Wasser rausschöpfen. War ca. 1 Liter. Gegen halb neun ists vollbracht, wir werfen den Motor an und die Leinen los. Herzstück wir kommen! Doch irgendwas ist heute anders. Als der erste Frachter des heutigen Tages an uns vorbei ist, können wir den seltsamen Geräuschen nachgehen. Der Auspuff ists: Er raucht zwar, aber er spuckt kein Wasser mehr. Das bedeutet: Die Motorkühlung funktioniert nicht. Alarm an Bord! Wir wissen nicht, wie lange es der Motor ohne Kühlung noch macht. Und ohne Antrieb in den Stromschnellen des Rheins ist wie in einem Bierfaß die Niagarafälle hinabzufahren. Also Drehzahl sofort runter, Kurswechsel um 180 Grad, mit der Strömung im Leerlauf wieder bergab. Anker klarmachen, nur die paar Meter in den Windschatten der Insel noch, Anker fallen lassen, 30 Meter Kette raus. Motor aus. Ruhe. Warten bis sich das Maschinchen abkühlt. Nochmal gut gegangen! Dann Fehlersuche. Ergebnis: An beiden Kühlwasserpumpen haben sich jeweils die Impeller verabschiedet. Und das bereits nach nur 80 Motorstunden. Wie war die Frage meiner Bremer Freunde: "Ersatzimpeller dabei?". Wie war meine Antwort: "Klaro". Einen Ersatzimpeller habe ich in der Tat dabei, aber eben nur einen. Für den zweiten Impeller unternehme ich eine Zugreise nach Wiesbaden. Um 17 Uhr am selben Tag haben wir beide neuen Impeller eingebaut, die gute Seemannschaft spuckt wieder ordentlich Wasser aus ihrem Sportauspuff. Zum zweiten Mal, jetzt mit neun Stunden Verspätung, machen wir uns daran, das Herzstück zu knacken.

 

Die "gute Seemannschaft" in Lorch am Rhein                  Böser Impeller!

 

Vorkehrung fürs Herzstück: Beiboot klar an Deck.           Endlich geschafft: Mäuseturm vor Bingen

Zwei Stunden später, 19 Uhr, Stromschnellen von Assmannshausen: Stillstand. Die gute Seemannschaft gewinnt trotz reichlich Gas keinen Meter mehr gegen die Strömung. Wir überlegen: Die letzten Vollgasreserven aus dem Maschinenraum quetschen mit dem Risiko, den Motor zu sehr zu beanspruchen? Oder einen Formel-1-Trick anwenden? Wir entscheiden uns für die Formel 1: Wenns innen durch die Kurve nicht geht, dann außen. Wir warten ab, bis der dicke Containerfrachter neben uns vorbei ist und wechseln dann in seinem Windschatten von der rechten auf die linke Fahrwasserseite. Es hilft. Dort sind weniger Wirbel, die Strömung läßt etwas nach, die "gute Seemannschaft" schiebt sich meterweise an den Felsen von Assmannshausen vorbei. Als wir in Bingen um 20 Uhr den Mäuseturm passieren sind wir erleichtert: Zwar haben wir heute wegen des Defekts nur 13 km Tagesetappe geschafft, aber das Herzstück des Rheins liegt hinter uns. In Bingen beginnt der Oberrhein, ab hier ists sofort angenehmer zu fahren: Ohne starke Wirbel, ohne extreme Lenkkorrekturen. Die Strömung ist ebenfalls deutlich schwächer, wir können dadurch die Motordrehzahl wieder reduzieren. Zur Belohnung für den heutigen Schreck, die nachfolgende Schraubarbeit und die anstrengende Wildwasserfahrt kaufen wir dem indischen Italiener zu Bingen abends um halb elf zwei Mafiatorten und zwei Franziskaner ab.

 

Alter Kran in Oestrich-Winkel                                        Segelboote am Oberrhein

 

Im ruhigen Ehrfelder Altrhein: Buffet...                          ...und Abendstimmung.

Donnerstag, 12.06.08, Tag 13 der Reise, 850 km liegen schon hinter uns: Nach ruhiger Fahrt auf dem Oberrhein fahren wir heute bereits den zweiten Tag auf dem noch ruhigeren Neckar. Wie auch auf der Weser erkauft man sich die Ruhe mit zahlreichen Schleusen. 21 Stück sinds von Mannheim bis zum Max-Eyth-See in Stuttgart. In Summe 148 Höhenmeter. Pro Schleuse also im Schnitt fast 7 Meter. Neben der schönen Landschaft am Neckar fällt uns noch was anderes auf: Wie sich doch seit der Abfahrt in Bremen etappenweise die Dialekte der Eingeborenen veränderten! An manchen Tagen klangs abends in der Kneipe genauso wie am Vorabend. Manchmal aber auch vernehmbar anders, nämlich dann wenn man tagsüber wieder irgendeine Sprachgrenze passierte. So hörten unsere Ohren auf der Reise Bremer Slang, dann Niedersächsisch, Westfälisch, Ruhrpottlerisch, Düsseldorfer- und Kölsch, Rheinländisch, Hessisch, Pfälzisch, Badisch und schließlich Württembergisch. Ebenso wie das Gesprochene wandelte sich auch das Getrunkene: Jan Torf (Bremer Moorschnaps), Pils, Alt, Kölsch, Rheingauweine, Erdbeerbowle (mein lieber Kollege und Freund Patrick überreichte uns die Beeren bei einem Zwischenstop in Wiesbaden), badische und Württemberger Weine. Und in Münster die erste Bierbowle meines Lebens. War fein, danke schön Jutta für den Tip :-)

 

Mannheim: Letzte km-Tafel für uns am Rhein!                 Mannheim: Links der Neckar, rechts der Rhein

 

Burgen bei Neckarsteinach                                            Hessigheimer Felsengärten 

Freitag, 13.06.08, Ziel erreicht am Max-Eyth-See in Stuttgart nach 14 Tagen Fahrt.

 

Letzte Schleuse: Stuttgart-Hofen                                   Ziel erreicht beim WSG in Stuttgart

Als Resumee bleibt: Die Reise war einmalig schön! Der Motor hat gehalten, die übrige Technik auch, für die miserable Impellerqualität kann der Motor nix. Den Rhein haben wir geknackt, und zwar aus eigener Kraft. Darauf sind wir schon ein bisschen stolz. Den ursprünglich insgeheim gehegten Plan, uns von einem Frachtschiff flußaufwärts ziehen zu lassen, hatten wir unterwegs bereits verworfen wegen Purzelbaumgefahr. Mit weniger als unserer Motorleistung muß die Empfehlung aber lauten: Finger weg vom Rhein. Angenehmer als mit einem tiefgehenden Verdränger wie der "Guten Seemannschaft" ist die Rheintour sicherlich mit einer flachen, schnellen Motoryacht zu fahren. Mit der Schleuserei hatten wir meist das Glück schnell dranzukommen. Alle notwendigen Schleusen unterwegs waren zudem in Betrieb. Nur in Oberhausen war eine Schleusenkammer lahmgelegt, weil ein Frachtschiff zuvor gegen das Schleusentor gedengelt ist. Gut für uns daß diese Schleuse zwei Kammern besitzt. Die Zweite funktionierte. Die Schleuse an der Ruhr war wegen Wartung außer Betrieb. Wiederum gut für uns, daß es eine alternative Route über den Rhein-Herne-Hafenkanal gab.

Zusammenfassend die Daten zur Reise:

Gewählte Route: Lesum, Weser, Mittellandkanal, Dortmund-Ems-Kanal, Rhein-Herne-Kanal, Rhein, Neckar

Reisedauer: 14 Tage

Schleusen: 34

Motorstunden: 140

km über Grund: 942; entspricht einem Tagesschnitt von 67 km

Durchschnittsgeschwindigkeit über Grund: 6,7 km/h

Treibstoffverbrauch: Ca. 270 l Diesel; entspricht einem Verbrauch von ca. 2 Liter pro Stunde

 

gute Seemannschaft © 2009

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