August 2009

Am 02.08.2009 darf ich auf der Insel Karpathos zusammen mit Jutta, Bitzn und Fufi meinen Geburtstag feiern. Die drei achten darauf, daß ich nicht versehentlich vergesse, wieder ein Jahr gealtert zu sein. Als Geschenk bekomme ich u.a. ein griechisches Komboloi (siehe Bild oben mitte). Das "Komboloi" ist eine Kette mit Holzperlen. Früher hatte das Kettchen wohl mal eine religioese Bedeutung, heute findet man es hauptsaechlich als Zeitvertreib und Spielzeug in den Haenden alter Maenner. Nett dass meine Freunde mich nun ebenfalls fuer reif genug halten, damit zu spielen (anzumerken ist, dass Maenner eigentlich gar nicht aelter werden, sondern nur jedes Jahr besser)...

Geburtstagsfeier auf der Treppe zu Karpathos

Der 03.08.2009 ist nicht unser Tag. Beim Ablegen in Karpathos versenken wir einen Teil der Buglaterne, fuer die eigentlich recht kurze Ueberfahrt nach Kassos (20 Seemeilen) benoetigen wir 8 Stunden. Denn in der Meerenge zwischen den beiden Inseln bekommen wir 30 Knoten Wind und dazu passende Wellen von vorne serviert. Mit zweifach gerefftem Grosssegel und Maschinenunterstuetzung kaempfen wir uns langsam bergauf. Zwischendurch steigt vermutlich der Laderegler des Windgenerators aus. Jedenfalls beginnt das Windrad urploetzlich laut zu heulen. Ich klettere auf den Mast des Windgenerators und werfe ein Seil ueber das Rad, da ich Bedenken habe, ein Fluegel koennte brechen und einen von uns treffen. In Kassos angekommen entscheide ich mich fuer den falschen der beiden zur Auswahl stehenden Haefen (Ormos Phry). Angescheuerte Festmacherleinen und eine schaukelige Nacht sind die Quittung dafuer. Am naechsten Tag verholen wir in den ruhigeren Hafen Emporio, nutzen den dortigen Sandstrand zum Bade und versuchen, Ersatzteile fuer die Buglaterne zu bekommen (natuerlich vergeblich). 

In der Nacht auf den 04.08.2009 werden auf der Insel Fans von Panathinaikos Athen und Borussia M'gladbach Freunde. Und das kommt so: Fuer Mitternacht ist die Faehre angekuendigt, die unsere Freunde Bitzn und Fufi wieder nach Deutschland bringen soll. Wir sind allerdings die einzigen, die an der Faehranlegestelle warten. Das macht uns stutzig. Zu recht. Alle anderen wissen naemlich bereits, dass die Faehre fast 5 Stunden Verspaetung hat. Nachdem auch wir diese Nachricht erhalten, nutzen wir die zur Verfuegung stehende Zeit sinnvoll: Wir gehen in diejenige Taverne, aus der der meiste Krach kommt. Der Krach -Freudengesaenge der Panathinaikosfans- hat eine Ursache: Der Verein hat an diesem Abend ein wichtiges Spiel gewonnen. Der Kneipenwirt (Panathinaikosfan) und unser Fufi (Gladbachfan) merken schnell, dass ihre Liebe zum Fussball etwas Gemeinsames hat: Die gleiche Vereinsfarbe (gruen). Vor Freude darueber liegen sie sich in den Armen, herzen sich und begiessen das Glueck mit Bier. Wir helfen mit. Um halb fuenf in der Frueh nimmt die Faehre dann zwei angeschlagene Gestalten mit auf die Reise. Jutta und ich sind auch mitgenommen und schlafen an diesem Tag bis Mittag.

 

Versuesste Wartezeit                                 Die Faehre ist 5 Stunden zu spaet

Jutta und ich bleiben noch einen Tag auf Kassos, wandern die Bergdoerfer ab und rupfen Gruenzeug aus dem Boden, um einen Esel zu fuettern.

Nachdem wir seit Wochen suedoestliche Kurse steuern konnten, was bei den vorherrschenden Nordwestwinden ein angenehmes Spiel ist, haben wir ab sofort wieder westliche Kurse zu fahren. Da heisst es also auf den Wetterbericht noch genauer achten. Wir nehmen uns vor, im Zweifel lieber einen Tag laenger im Hafen zu bleiben und auf guenstigen Wind zu warten, als bei Westwind muehevoll gegen die Wellen zu bolzen und dabei in vielen Stunden nur wenig an Boden gutzumachen. Am 06.08.2009 nutzen wir das angekeundigte ruhige Wetter daher fuer die ueber 40 Seemeilen lange Ueberfahrt nach Sitia auf Kreta. In der Tat ist die See glatt, aufgrund des schwachen Windes muessen wir alles unter Motor fahren. Der spannendste Moment dieser Ueberfahrt ist, als wir unsere leere Whiskyflasche zu einer Flaschenpost umbauen und auf die Reise schicken. Kontaktdaten haben wir natuerlich in die Flasche gesteckt. Vielleicht wird sich ja mal irgendjemand melden? Wir raetseln auch Tage spaeter noch, wohin unsere Flasche nun wohl schon gedriftet sein mag.

 

Die Flaschenpost ist vorbereitet...                ...und beginnt nun ihre Reise im Meer

Noch bevor wir in Sitia einlaufen und die Insel Kreta betreten, beschliessen wir, dass es diese Insel schwer haben wird, unsere Gunst zu erlangen. Unser Beschluss ist nicht etwa ein Vorurteil, nein, er ist begruendet auf Wissen, das wir uns aus unserem Hafenhandbuch zusammengelesen haben und an den entscheidenden Stellen mit eigenen Mutmassungen ergaenzt haben.   

Sitia auf Kreta hat eigentlich viele Pluspunkte zu bieten: Dusche, WC und Strom an der Mole, einen guten Liegeplatz, gute Einkaufsmoeglichkeiten preisguenstige und gute Tavernen. Dennoch: Die heimelige Abgeschiedenheit der kleinen Inseln auf unserer Reise findet man hier nicht mehr. Das Treiben ist geschaeftiger, lauter und anonymer. Kannten sich auf den kleinen Inseln scheinbar alle Einwohner untereinander (da vermutlich alle miteinander verwandt), so scheinen sich die Griechen hier selbst fremd zu sein. Wie das bei uns zuhause halt auch so ist. Wir fuehlen uns hier eher auf dem Festland angekommen als auf einer Insel.

Nun, zunaechst hatten wir zwei Naechte fuer Sitia eingeplant, aufgrund der guten Versorgungslage verlaengern wir am 08.08.09 aber auf drei Naechte. Was wir noch nicht wissen: Wir werden insgesamt 6 Naechte in Sitia festsitzen, da uns einsetzender starker Nordwestwind (fuer uns also Gegenwind) dort festhalten wird. Wir nutzen die Zeit, um Arbeiten an Bord zu erledigen, Jutta flickt bspw. die Sprayhood und das Biminitop. Ich finde endlich Zeit, meine Steuererklaerung auszufuellen. Wir gewoehnen uns an Sitia und fuehlen uns dort mit der Zeit eigentlich ganz wohl. Am 10.08.09 reisen unsere Freunde Manu und Tom ("Domasle") an, um einige Tage mit uns an der Kueste von Kreta entlangzusegeln. Am 12.08.09 sagt der Wetterbericht fuer heute zwar weiterhin Gegenwind an, aber nicht die harten 7 Bft. der letzten Tage, sondern "nur" 6. Wir nutzen diese "Gelegenheit" und werfen die Leinen los. Die eigentlich laeppischen 25 Seemeilen nach Agios Nikolaos werden bei knapp 30 Knoten Wind gegenan zu einem langen und sehr nassen Vergnuegen mit Kreuzfock und zwei Reffs im Gross. Am Abend dieses Tages kann jeder von uns vier an Bord stolz behaupten, dass ihm unterwegs mindestens einmal uebel war, aber auch dass jeder die Fahrt dennoch gut ueberstanden hat. Diese heute dem Wind zaeh abgerungene Wegstrecke kommt allen an Bord wie ein mittelgrosser Triumph vor, von dem wir uns auch Tage spaeter noch gegenseitig erzaehlen.

 

Jutta naeht die Sprayhood                          Helfen coole Brillen gegen Seekrankheit?

Die Marina Agios Nikolaos bleibt mir als denkwuerdiger Ort meiner Reise in Erinnerung: Nicht die hervorragenden Duschen und Toiletten sind der Grund dafuer, auch nicht die Tatsache, dass Agios Nikolaos der suedlichste Punkt meiner bisherigen Reise ist, nein, der Grund ist dass ich mich heute dazu entschieden habe, ein "zu-Verkaufen-Schild" an meinem Boot anzubringen. Wer selbst Segler ist, dem brauche ich das nicht zu sagen: Das Herz wollte mir in meiner Seglerbrust dabei fast zerbrechen. Das Herz konnte sich aber in der Frage ueber "Boot behalten oder hergeben" nicht gegen den Verstand durchsetzen. Und der hatte gute Argumente, das Boot nun anzubieten: Der Unterhalt eines Boots ist teuer, man rechnet mit jaehrlich rund 10 % des Bootswertes. Zudem ist an einem Boot immer was zu ersetzen, zu schrauben oder zu lackieren. Ein Boot zu besitzen rentiert sich daher nur fuer jemanden, der dieses wie ich im Moment auch nutzen kann. Da ich aber naechstes Jahr wieder in Germanien weilen werde, wuerde ich mein Boot nur in den 30 Urlaubstagen p.a. sehen. Erstens um daran zu basteln, zweitens um die faelligen Liegeplatzgebuehren zu bezahlen und drittens -sofern noch Zeit ist- um damit zu fahren. Die restliche Zeit des Jahres wuerde ich mich in meinem heimischen Bettchen mit der jede Nacht aufs Neue unbeantworteten Frage waelzen: Geht es meinem Baby gut?

Mit der Entscheidung das Boot herzugeben, habe ich auch noch die Entscheidung ueber die weitere Reiseroute meines Toerns getroffen: Mein urspruenglicher Plan sah vor, via Balearen auf die Kanaren rauszufahren. Nach einigem Hin und Her mit mir selber habe ich mich entschlossen, auf diese weite Strecke zu verzichten. Denn zum Einen wuerde ich die Strecke alleine fahren muessen (Jutta muss leider Anfang September nach Muenster zurueck) oder mit wechselnder Crew, was eben nicht dasselbe ist wie mit einem/r festen Segelpartner/in. Zudem habe ich fuer mich selbst festgestellt, dass pures "Meilenfressen" nicht mein Geschmack ist. Auf jeden Fall nicht in einem Revier wie dem Mittelmeer, wo man bei meist unzuverlaessigen Winden haeufig zum Gashebel greifen muss, um seinen Zeitplan zu halten. In den Passatwinden auf dem Atlantik mag das Verspeisen von Seemeilen hingegen wiederum Spass machen, doch dafuer reicht meine Zeit nicht. Also habe ich nun die Insel Malta als letztes grosses Ziel meiner Reise vorgesehen. Mein Plan ist, Malta von Kreta aus ueber die ionischen Inseln zu erreichen und anschliessend im November wieder nach Griechenland zurueckzukehren, einen sicheren Winterhafen fuer das Boot zu suchen, selbst den Winter noch auf dem Boot in Griechenland zu verbringen und darauf zu warten, bis jemand das Boot kauft, wenns gut geht vielleicht schon im naechsten Fruehjahr. Denn ein Boot zu verkaufen ist eine langwierige Angelegenheit, wie jeder meiner Gespraechspartner zu berichten weiss. 

 

Domasle: "Mitarbeiter des Tages" am Steuer ... und in der Karaokebar

Am 13.08.09 -wir liegen aufgrund erneut einsetzenden Starkwindes immer noch in Agios Nikolaos- erschrecke ich fuerchterlich: Ein Segler spricht mich auf mein zum Verkauf stehendes Boot an und zeigt Interesse. Der wird mir doch nicht MEIN Boot wegnehmen wollen? Er wuerde das Boot gerne am Folgetag mit einem Freund gemeinsam ansehen. Schnell lehne ich ab und bescheide ihm, dass ich den Hafen am naechsten Morgen zeitig verlassen werde. So ernst und vor allem so zuegig habe ich das mit dem "Verkaufen wollen" ja schliesslich auch nicht gemeint!

Am 14.08.09 verlassen wir den Hafen wie angekuendigt und fahren zur Lagune noerdlich von Agios Nikolaos. Zwar versuchen uns auch heute wieder garstige Fallboeen zu necken, in dem geschuetzten Lagunengewaesser koennen wir uns aber gut verstecken und in Elunda liegt unser Boot in der Nacht so ruhig wie auf dem Riegsee bei Flaute.

Gerne waere ich in der Lagune noch einen weiteren Tag geblieben, doch durch die Zwangspausen in Sitia und Agios Nikolaos hinke ich meinem Zeitplan hinterher. Ich moechte bis zum 21.August gerne meinen im Westen Kretas urlaubenden Kollegen Timur treffen, und bis dorthin sind noch einige Meilen zu fahren. Also fahren wir am 15.08.09 um 08.30 Uhr los Richtung Heraklion. Angesagt ist Wind aus Nordwest, also einer Richtung, die ich hoch am Wind noch direkt anliegen kann. Tatsaechlich aber treffen wir puren Westwind an, was astreinen Gegenwind bedeutet. Natuerlich haben wir auch noch Stroemung gegen uns. Um 13 Uhr ziehe ich Bilanz: In jeder Stunde haben wir bisher gerade mal 2 Seemeilen gutgemacht. Wenn wir so weiterfahren, werden wir erst mitten in der Nacht in Heraklion sein. Darauf hat einschliesslich mir niemand Lust. Einen vernuenftigen Ausweichhafen gibt es nicht. Also muss ich mal wieder gegen meine eigenen Ueberzeugungen entscheiden: Motor an und den Gashebel so lange nach vorne, bis gegen die erhebliche Welle zumindest 4 Knoten Fahrt rausspringen. Als es zu Dunkeln beginnt, erreichen wir den alten venezianischen Hafen von Heraklion. Kreta hat es immer noch schwer, unsere Gunst zu erlangen (vielleicht hat Kreta das auch gar nicht im Sinn?). Und macht es sich mit dem angebotenem Wind und der Stroemung noch zusaetzlich schwer. Und ich mache es meinen Mitseglern taeglich schwer mit meinem Vortrag zum Thema: An grossen Landmassen entlangsegeln nervt! Man muss sich an den vorgegebenen Kuestenstrich halten und hat bei widrigen Windrichtungen keine Alternativen. Segeln in einer Inselwelt wie den Kykladen oder ionischen Inseln gefaellt mir besser! Umso erstaunlicher, wie Manu (das erste Mal auf einem Segelboot) und Domasle (das zweite Mal) die nervenaufreibende Fahrt aufnehmen: Sehr gelassen und stets lustig naemlich. Liegt vielleicht aber auch daran, dass beide einer grossen Seefahrernation entstammen: Dem unterfraenkischen Volk der Unterfranken naemlich. 

 

Starker Wind baut grosse Wellen auf...        ...daher: Knossos statt Segeln

16.08.09: Wir besichtigen das venezianische Kastell in Heraklion und die minoischen Ruinen zu Knosses und freuen uns, dass wir in einer so grossen (und touristischen) Stadt wie Heraklion an versteckten Plaetzen noch nette kleine Cafenions finden. Und ploetzlich erschrecke ich schon wieder: Der naechste Bootsinteressent hat mein Schild gelesen und steht an meinem Seezaun. John -so heisst er- hat seine ganze griechische Family mitgebracht. Ich mache eine Fuehrung durchs unaufgerauemte Boot. Wir tauschen Telefonnummern aus, John geht heim, wir ins Cafenion.

17.08.09: Zwangspause in Heraklion wegen erneut zunehmendem Starkwind gegenan. Kreta hats schwer..., siehe oben.

18.08.09: Der Wetterbericht sagt noerdliche Winde in akzeptabler Staerke an, fuer unseren Weg nach Rethymnon genau das Richtige. Wir stehen frueh auf, um nicht wieder ein Problem mit naechtlicher Ankunft zu bekommen, verlassen gegen 07.30 den Hafen. Was kommt nun? Jawohl, statt Nord gibts wieder West, also ekelhaften Gegenwind und dazu ebensolche Gegenstroemung. Und einen bockigen Skipper, der bleibt heute aber zur Abwechslung mal seinen Ueberzeugungen treu und der Motor daher aus. Retymnon rueckt damit in heute nicht mehr erreichbare Ferne, und dies erweist sich im Nachhinein als gut. Denn wir laufen als Ausweichhafen Ormos Bali an, ein guter, schoener und sicherer Hafen, einige nette Tavernen stehen am kleinen Strand und naechtens bekommen wir am Tresen Ouzo und griechische Livemusik vom Feinsten serviert: Gitarre, Gesang und 2 Bouzoukis. Ein schoenes Erlebnis, Kreta hat gepunktet!

19.08.09: Aufs Neue erschrecke ich fuerchterlich: John aus Heraklion hat mir auf die Mailbox gesprochen. Er moechte sich das Boot nochmal ansehen, da er beabsichtigt, sich ein Segelboot zu kaufen. Das wuenscht man keinem Verkaeufer ernsthaft: Dass ihm ploetzlich ein kaufwilliger Kunde gegenuebersteht. Es hilft nichts. Ich verabrede mich fuer morgen mit ihm in Rethymnon. Und dorthin fahren wir heute. Unter Motor naemlich, denn der "zu-viele-Wind" der letzten Tage ist heute kompletto in sich zusammengefallen. Unterwegs sehen wir eine grosse Wasserschildkroete, leider aber sieht sie uns auch und nimmt dies zum Anlass, ohne Verzoegerung abzutauchen, ehe ich auch nur an meinen Fotoapparat denken kann. 

20.08.09: Ich schicke Jutta, Manu und Domasle ins Cafe. Ich moechte Ruhe an Bord haben wenn John kommt, um das Boot zu besichtigen. Ausserdem soll er ja als Interessent nicht den Eindruck erhalten, rein zahlenmaessig von zu vielen Verkaeufern erdrueckt zu werden. Ich sitze also alleine an Bord als John auftaucht - er ist allerdings zu viert, mit Frau, Tochter und Mutter. Nun bin ich es, der sich alleine um vier interessierte Interessenten gleichzeitig kuemmert. Wir sehen uns das Boot und die Ausruestung im Detail an, Probefahrt und zahlreiche Fragen folgen. Waehrend John eher am Anker, an der Takelage und am Motor interessiert ist, findet der palstekgeformte Aschenbecher bei Frau Mutter besonderen Gefallen. Zum Schluss ists dann wie so oft: Die Entscheidung reift im Bauch, detaillistischer Firlefanz schwirrt nur stoerend im Hintergrund herum. John erzaehlt mir dazu folgende Geschichte: Von seinem Balkon zuhause kann er auf das Hafenbecken von Heraklion blicken. Eines Morgens vor wenigen Tagen sieht er dort ein ihm unbekanntes Segelboot am Steg haengen. Das Boot gefiel ihm auf Anhieb. Als seine Tochter spaeter zum Spielen an den Hafen geht, begleitet er sie. Und lenkt seine Schritte zielstrebig in Richtung des unbekannten Bootes. Dort erblickt er das "zu-Verkaufen-Schild" und weiss: Dies wird sein Boot. Als ich das Boot vor 2 Jahren kaufte war es bei mir ebenfalls Liebe auf den ersten Blick. Das Boot kann offenbar zu seinem neuen Eigentuemer sprechen. Den Rest hatten dann nur noch John und ich auszumachen: Wir vereinbaren, dass ich noch meinen Toern nach Malta fahren werde, ihm im November anschliessend dann das Boot nach Kreta bringe und er Eigentuemer des Bootes wird (er will das Boot eigentlich sofort haben, ich moechte es erst naechstes Jahr uebergeben). Damit werde ich den Winter nicht mehr auf dem Boot in Griechenland zubringen koennen. Das macht aber nichts, da ich fuer diesen Fall bereits eine neue, unvernuenftige Idee parat habe (sofern mich die Arbeit nicht schon im Winter zu sich ruft). Mehr dazu wann anders. Mein Verstand ist mit dieser Loesung sehr zufrieden, mein Herz schmerzt allerdings, merkt aber auch, dass das Boot bei John in guten Haenden ist und von ihm mit Freude und haeufig genutzt werden wird. Dennoch wird es fuer mich ein stiller Abend. Denn heute habe ich das Finale meines Segeltoerns und meiner Zeit als Skipper der "gute Seemannschaft" besiegelt: Das Boot sicher von Kreta nach Malta und wieder zurueck nach Kreta zu bringen wird meine letzte Aufgabe an Bord.

 

Rethymnon: Venezianischer Hafen             Domasle und Manu gehen von Bord

Am 21.08.09 verlassen uns Manu und Domasle. Sie haben sich fuer die letzten drei Tage ihres Urlaubs in einer Pension in Rethymnon einquartiert und freuen sich verstaendlicherweise darauf, nun wieder Annehmlichkeiten der Zivilisation geniessen zu koennen: Ein Bett, eine Steckdose, eine Dusche. Nach einem gemeinsamen Fruehstueck brechen Jutta und ich auf nach Georgiopolis. Die Einfahrt in diesen kleinen Flusshafen ist die bisher schwierigste auf unserem gesamten Segeltoern, da wir die nicht genau verzeichneten Riffe vor der Einfahrt mit dem Auge erkennen muessen (natuerlich sind die aber unter Wasser und damit schlecht zu sehen) und da in der Einfahrt sehr flache Stellen lauern. Auf die Einfahrt stehende Wellen machen die Flachstellen erst richtig gefaehrlich. Mehrmals ueberlege ich zum Schutz von Boot und Mannschaft abzubrechen, entscheide mich aber dafuer es zu versuchen da nach den Angaben im Hafenhandbuch die Einfahrt mit unserem Boot moeglich sein muss. Ich fahre sehr langsam, Jutta beobachtet den Meeresboden. Ich rechne jeden Augenblick mit einem Knirschen am Kiel und habe den Gashebel zum "Rueckwaerts-ziehen" schon in der Hand. Gluecklicherweise haben wir keine Grundberuehrung, kommen gut -wenn auch mit verschwitztem Ruecken- in den Hafen, treffen dort Timur und Alexandra (gerade noch rechtzeitig an deren letztem Urlaubstag) und haben einen sehr netten Abend zusammen. Jutta und ich schlafen nachts tief und fest in einem vom kuehlen Flusswasser sehr angenehm temperierten Boot.

 

Georgiopolis: Schoener Flusshafen...          ...und netter Abend.

Der 22.08.09 ist nicht unser Tag. Beim Losfahren findet das GPS keinen Empfang, also bleibt nur reine Augapfelnavigation um durch die Riffe aus dem Hafen wieder ins tiefe Wasser zu gelangen. Es gelingt. Die folgenden 27 sm schinden wir wieder mal unseren Motor gegen Wind, Welle und Strömung Richtung Westen nach Chania. Schlimme Kreuzseen um die Akrotiri-Halbinsel lassen unser Boot wie eine leere Plastikflasche auf dem Wasser tanzen. Wir sind froh, Chania am Nachmittag zu erreichen. Die Freude haelt nicht lange. Im ruhigen Nebenhafen von Chania ist leider kein Platz fuer uns frei, wir muessen mit unserer kleinen Schuessel neben ueberdimensionierten Megayachten an der schaukeligen Transitmole liegen. Als es dunkel wird, beginnen ganze Voelkerstaemme die Mole hinaufzupilgern. Den Touris ist offenbar langweilig. Klar dass es eine hervorragende Abwechslung ist doch mal zu sehen, ob man in den Kajueten der Yachten vielleicht etwas Interessantes erspaehen kann... . Wir beenden die Vorstellung durch Schliessen unserer Kajuetluke, Blicke der Pilger und Musik der Inkneipen bleiben draussen. So liegen wir auf den Salonbaenken und sehen uns DVDs ueber Haie an. Berghuettenatmosphaere! Draussen schneits, drinnen ists gemuetlich.

Schiffsmuseum in Chania

Am Tag drauf holen wir meinen Segelfreund Sascha vom Busbahnhof ab. Sascha wird die naechste Zeit mit mir mitsegeln, eventuell sogar einige Wochen.

Am Montag, 24.08.09 sind wir froh, Chania zu verlassen. Unser bisher nur binnensegelnder Sascha erlebt heute seinen ersten Tag Salzwassersegeln. Brav bringt er im hohen Wellengang Neptun sein Opfer an der Heckreling :-) Unter Segel und Motor erreichen wir schliesslich Gramvousa, eine ganz kleine und unbewohnte Insel direkt westlich neben Kreta, unser letzter Stop bevor wir das Seegebiet von Kreta wieder verlassen. Gramvousa hat unserem Kretatrip ein sehr positives Finale gegeben: Wir werden von dort campierenden Fischern, vor allem aber vom Segler Costas sehr freundlich aufgenommen, wir nutzen die schoene Bucht zum Bade, geniessen in der Abendsonne den Ausblick vom venezianischen Fort und sitzen in der Nacht mit Costas und den Fischern zusammen. Es wird uns sogar vom frisch gefangenen und zubereiteten Fisch, vom Hummer und vom Oktopus gereicht. Und wir hoeren von den schoenen Seiten des Fischerlebens, von der Freiheit, aber auch vom leergefischten Meer und den geringen Verdienstmoeglichkeiten. Fischen scheint fuer die Fischer Berufung zu sein, nicht nur Beruf. Wir erfahren, dass Berufs- und Hobbyfischer im Allgemeinen gut miteinander auskommen, Berufsfischer untereinander sich eher argwoehnisch betrachten, da man vom anderen oft faulen Zauber in Form von illegalen Fangmethoden vermutet (zu engmaschige Netze, Missachtung von Fangzeiten...). Und wir erfahren, dass gewisse Fischer gerne auch Kaninchen auswildern auf unbewohnten Inseln :-) 

 

Gramvousa: Fischerfreunde neben uns       ... und deren ausgewilderte Kaninchen

 

Gramvousa: Zerbrochene Schiffe...            ...und zerbrochene Skulpturen

Gerne waeren wir auf der Insel noch laenger geblieben, wegen Juttas Heimflugtermin am 08.09.09 ab Zakynthos und unseren Erfahrungen mit wetterbedingten Zwangsaufenthalten ziehen wir es aber vor, den guenstigen Nordostwind zur Weiterfahrt zu nutzen. So landen wir am 25.08.09 in Kapsali auf Kythira (unser urspruengliches Tagesziel Antikythira ueberspringen wir, da dieser Hafen bei Nordostlage unsicher scheint). Da wir mit Kythira nun einen Tag vor unserer Reiseplanung liegen, goennen wir uns in der schoenen Hafenbucht 2 Tage Aufenthalt. Gefuehltermassen ist das unwaegbarste Stueck unserer Reise Richtung Zakynthos nun auch schon geschafft: Die Ueberfahrt von Kreta Richtung Peloponnes. In Kapsali hoeren wir, dass in der Hafenbucht eine freilebende grosse Wasserschildkroete wohnen soll und sich gerne mal zur Freude der Hafenbummler sehen laesst. Wir haben Glueck: Beim Verlassen des Hafens sehen wir das ca. 1 Meter lange und offenbar sehr neugierige Tier direkt neben unserem Boot paddeln.

 

Sascha (nun seefest an der BUG-Reling)      Kapsali auf Kythira vom Fort gesehen 

27.08.09 - 03.09.09: Zumeist muessen wir den Peloponnes entlang nordwestwaerts motoren, da der Wind nur schwach weht. Nach ueber zwei Monaten Bord- und Inselleben betreten Jutta und ich das erste Mal wieder Festlandboden. Und Sascha hat sich mittlerweile an die Wellen und die Bewegungen des Boots gut gewoehnt. Eigentlich sogar perfekt, denn er kann an Bord in jeder Situation schlafen: Bei Tag, bei Nacht, im Liegen, im Sitzen, auf der Travellerschiene und sogar in seiner Koje (sofern dort nicht zu viele Muecken lauern). Die Faehigkeit in der Freiwache schlafen zu koennen ist uebrigens sehr wichtig. Denn sobald die Wache wechselt, ist damit sichergestellt, dass an Bord stets gut ausgeschlafene Matrosen am Werke sind. 

 

Kagio: Wieder Festland unter den Fuessen   Port Kagio

 

Gerolimin: Fruehe Abfahrt (zu frueh:-)?)     Navigation: Sascha wie immer hellwach

 

Ankern vor Methoni                                    Methoni: Wieder ein venezianisches Fort

Der Peloponnes bleibt uns mit sehr hohen und schroffen Bergen in Erinnerung, aber auch mit sehr schoenen Badestraenden. Wir bemerken nun ab und zu Autos mit deutschen Nummernschildern - und freuen uns darueber. Insgesamt scheint es aber am Peloponnes wenig Touristen zu geben. Tavernen und Pensionen sind wenig besucht, die Straende oftmals fast menschenleer. Die Geschaeftsleute leiden unter geringem Geschaeft. Wir vernehmen da und dort, dass der Tourismus in 2009 in Griechenland ruecklaeufig sei. Ist wohl schon eine Folge der wirtschaftlichen Situation in Europa und der Welt. Am Peloponnes faellt uns auch eine beachtliche Menge von offenbar missglueckten Investitionen auf. Neu errichtete Cafes etwa oder auch ein Baederpark, die bereits wieder geschlossen sind und nun vor sich hingammeln. Gammeln tun auch manche Haefen am Peloponnes. Pylos und Marathopolis wetteifern darum, wer seine Hafenanlage am ueberzeugendsten in ein stinkendes Dreckloch verwandeln kann. Kagio und Gerolimin sind hingegen sehr schoene Hafenbuchten. Sicheren Schutz bieten uns die Haefen Methoni, Kyparissia (mit neuer Mole) und Katakolon. Von Katakolon aus besichtigen Sascha und ich Olympia, Jutta wird von Migraene geplagt, braucht daher einen Tag Pause in der Koje. 

 

Erfreulich 1: Mal wieder guter Wind             Erfreulich 2: Crew mit Spass an der Arbeit

 

Unerfreulich 1: Dreckhafen Pylos               Unerfreulich 2: Dreckhafen Marathopolis

 

Erfreulich 3: Ouzo Wasser, Snack              Erfreulich 4: Noch mal guter Segelwind

 

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