Der Beginn der Reise...
24. Maerz 2009: Gerade frisch auf dem Boot eingezogen und in den letzten Vorbereitungen fuer die Abfahrt erreicht mich voellig unvorbereitet die schreckliche Nachricht vom ploetzlichen Ableben meines Vaters Heinz Pecher. Ich kehre daraufhin nach Weilheim zurueck, Beerdigung und Verwaltungsangelegenheiten sind zu regeln. Die schlechte Nachricht zu verarbeiten faellt mir schwer. Insbesondere faellt es mir schwer zu glauben, dass mein Vater nach vielen gemeinsam erlebten Segelreisen mich auf dieser Reise nun nicht mehr begleiten wird. In Weilheim beschliesse ich, meine Reise dennoch fortzusetzen. Gerade mit dem frisch Erlebten scheint es mir nun besonders wichtig, meine Ziele und Wuensche weiter zu verfolgen.
Heinz Pecher (23.01.1947 - 24.03.2009) am Steuer seines Lastwagens in Thailand (08/2008)
Anfang April 2009 gehts also nun zweiten Mal los. Mit an Bord sind meine liebe (Dauer-Reise-)Begleitung Jutta sowie fuer einige Tage meine Segelfreunde Kurt und Thomas.
Der Weg fuehrt uns von Strasbourg, vorbei am schneebedeckten Schwarzwald Richtung Sueden zum deutsch-franzoesischen Grenzuebergang Niffer. Wir biegen vom Rhein in den Rhein-Rhone-Kanal ein, dieser wird uns mit ueber 100 Schleusen und auf ueber 200 km ins Herzen von Frankreich zur Saone bringen.
mein Hausrat bleibt in Bayern Die Prophezeiung des Glueckskeks wird nun wahr
meine liebe Segelpartnerin Jutta wird die naechsten Monate mit mir reisen
Helfen uns bei den ersten Reisetagen: Thomas und Kurt
Mit dem Wetter in Frankreich wird auch meine Gefuehlslage besser: Gesellschaft und Unterhaltung an Bord und "immer was zu tun" an und unter Deck lenken meine Gedanken ab.
Wir vier spielen uns gut aufeinander ein, vor allem die zahlreichen Schleusen foerdern Teamwork an Bord. Der Platz an Bord ist natuerlich nicht ueppig fuer vier Personen. Als Skipper begnuege ich mich daher mit der etwas engen Koje in der Achterkabine und taufe diese auf den Namen Backskiste. Aus selbiger vernehme ich bisweilen, wie mich bestimmte Bestandteile der Mannschaft heimlich als Backskistenkobold bezeichnen. Ich denke noch darueber nach, ob dies wohl ein respektvoller Titel fuer den Skipper ist.
Fleissige Menschen unter Deck (Jutta kocht)... ...und an Deck (Thomas baut den Autopilot ein)
naechtliche Ankunft in Niffer Autos muessen stoppen fuer uns
Der Rhein-Rhone-Kanal ermoeglicht mit seinen zahlreichen Schleusen nur langsames Vorwaertskommen. An manchen Tagen sind es nur 30 km.
Auch auf dem Wasser gibt es Verkehrsschilder
Nach einigen Tagen erreichen wir den hoechsten Punkt der gesamten Reise: 380 Meter ueber Null zwischen Elsass, Vogesen und Jura. Bergfest also! Die Reise hatte letztes Jahr beim Ueberfuehrungstoern bei Null Meter an der Nordsee begonnen, nun geht es bergab bis wir am Mittelmeer ebenfalls wieder auf Null sind.
Auf dem Rhein-Rhone-Kanal gibt es viele ruhige Abschnitte (hier kurz vor Dole)...
...und wildere (hier der Doubs-Abschnitt) Wer kriegt die Schwimmweste nimmer zu?
Links der Rhein-Rhone-Kanal, rechts nur durch eine Mauer getrennt der Doubs
Am 10. April 2009 lassen wir den Rhein-Rhone-Kanal hinter uns, wir haben die Saone erreicht. Wir haben nun dauerhaft die Flusstroemung mit uns, ausserdem kaum mehr Schleusen. Unsere Tagesteappen steigen daher auf rund 100 km pro Tag. In Chalon sur Saone steigen Thomas und Kurt aus, um planmaessig wieder nach Deutschland zurueckzureisen. Jutta und ich winken Ihnen nach, wir freuen uns auf Ihren naechsten Besuch an Bord der "guten Seemannschaft" im September fuer die Strecke Sardinien-Balearen.
Kanalfahrerfruehstueck in St. Jean de Losne kurz vor Thomas' und Kurts Abreise
Die naechsten Tage fuehren Jutta und mich die ruhige, breite und wenig befahrene Saone abwaerts. Kurz hinter Chalon bekommen wir eine Hausbootbasis zur Uebernahme angeboten. Der Betreiber, ein Schwabe moechte in Ruhestand gehen. Ein Teil seiner Altersversorgung ist die Hausbootflotte. Diese waere ihm nun auf dem Konto lieber als im Wasser. Vermutlich kommt das Angebot fuer uns aber nicht in Frage. Denn Jutta moechte Ziegen halten, die Gegend aber hat jedes Jahr Hochwasser, und Ziegen moegen kein Hochwasser. Wir verabschieden uns, zurück bleibt als Gastgeschenk meine übrige 120 Ah-Versorgerbatterie.
14.04.09: Lyon übertrifft unsere Erwartungen deutlich! Wir hatten mit einer stinkenden Industriestadt am Zusammenfluß von Saone und Rhone gerechnet und uns daher vorgenommen, ohne Halt durch die Stadt zu fahren. Beim Anblick von Lyon bereuen wir unsere Planung, denn Lyon würde uns reizen, ein wenig durch die historische Altstadt zu wandeln. Hilft aber nix, wir müssen weiter, denn meine Vignette zur Nutzung der französischen Binnenwasserstraßen läuft bereits am 19.04. ab. D.h. in 5 Tagen müssen wir am Meer sein. Und von Lyon sind es ímmerhin noch 320 km, bis es salzig wird unterm Kiel.
Au revoir schönes Lyon! Unser neuer Gast an Bord: Basilikum
Doch auch Ungesundes darf mitfahren... ...und Feines!
Ab Lyon fahren wir nun auf der Rhone talwärts. Die Strömung der Rhone ist deutlich stärker als auf der Saone, Das Wasser schiebt uns mit ca. 5 bis 8 km/h zusätzlich zu unserer Motorkraft vorwärts. Das ist uns sehr recht. Musste ich mich letztes Jahr am Rhein gegenan mit teilweise nur 3 Km pro Stunde über Grund begnügen, so werden wir nun mit bis zu 18 Km pro Stunde belohnt.
Ein schöner Anblick: 9,6 Knoten = ca. 18 Km/h (das ist viel für ein Segelboot!!!)
15.04.09: Mächtig Gegenwind auf der Rhone beschert uns mächtige Gegenwelle. Wer rechnet im Binnenland damit, daß es uns so durchschüttelt? Ich bewege mich in meinem Sportanzüglein aufs Vorschiff um den kräftig wippenden Mast fester zu zurren. Und kehre durchnässt zurück. Aber der Mast gibt nun Ruhe.
Hochseefeeling auf der Rhone Unsere Wäsche wird trocken geschüttelt
Höchste Schleuse Europas: Bollene (ca. 23 Meter Hub)
16.04.09: Auch Avignon ist eine schöne Stadt. Hier hat es nicht nur den Päpsten früher gut gefallen, sondern auch uns. Nur die Steganlage an der Rhone hat es vorgezogen, mit einem der letzten großen Hochwasser Avignon zu verlassen. So machen wir an der Mole in der Nähe der St. Benezet-Brückenruine fest.
Brückenruine St. Benezet in Avignon: Die fehlende Brückenhälfte wurde wie der nun fehlende Sportbootsteg vom Hochwasser kassiert. Allerdings war die Brücke knapp 400 Jahre früher dran.
18.04.09: Salzwasser unterm Bug, wir sind am Meer! Seit Strasbourg sind wir nun rund zweieinhalb Wochen gefahren, haben ca. 850 Km zurückgelegt und dabei über 130 Schleusen passiert.
Eine erster kleiner Meilenstein ist damit erreicht. Wir laufen Port Napoleon in Port St. Louis an, machen uns dort ans Werk, aus unserer vom Flußdreck verklebten "guten Seemannschaft" wieder ein schönes Segelboot zu machen. Dazu stellen wir als Erstes den Mast auf, damit hat unsere Brave schon mal eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Segelboot. Für die weiteren Arbeiten lassen wir unser Boot aus dem Wasser heben. Im Hafenbüro des Port Napoleon überkommt mich schlagartig ein Gefühl der Erleichterung: Und zwar um 500 Euro für Kran und Trockenliegeplatz.
Unsere Hübsche wartet darauf von uns massiert zu werden
Die Algenernte am Unterwasserschiff kann beginnen!
22.04.09: Unser Boot darf zurueck ins Wasser, die wichtigsten Arbeiten sind erledigt (als da waren: Unterwasserschiff gereinigt und mit Antifouling gestrichen, Epoxy- und Gelcoatausbesserungen am Kiel, Windgenerator und Biminitop eingebaut, Wassertank ausgebaut, gereinigt, wieder eingebaut, Sicherheitsausruestung fixiert, neues Schott in die Bilge einlaminiert).
Per Schlepper darf unser fertig überholtes Boot zurück an die Hafenmole
Der Kran hebt die "gute Seemannschaft" wieder dorthin, wo sie hingehört
Wir freuen uns auf unseren ersten Segeltag auf dieser Reise! Ich habe sanften bis maessigen Wind aus der richtigen Richtung und wenig Wellen bestellt, damit das Boot, vor allem aber auch Jutta sich an die Segelei gewoehnen kann. Jutta hat naemlich bisher nur eine Woche Ostseeerfahrung. Ich rechne ihr den Mut hoch an, sich mit so wenig Segelerfahrung fuer ein mehrmonatiges Leben auf See zu entscheiden. Das Meer hat allerdings seinen eigenen Plan, wie es mit Segelneulingen umgeht: Gleich am ersten Tag bekommen wir die dicke Packung: Ueber 40 Knoten Wind (also muntere 7 bis 8 Bft), entsprechende Welle dazu, aber wenigstens stimmt die Richtung. Wir versuchen in Anbetracht der Bedingungen den ersten Tag kurz werden zu lassen und suchen uns fuer den fruehen Nachmittag einen Zielhafen. Leider aber hat das Meer wieder seinen eigenen Plan: Die fuer uns nutzbaren Plaetze im Hafen sind belegt, die freien Plaetze sind fuer uns zu gefaehrlich. Also wieder raus aufs Meer und weiter: Am Abend finden wir auf der Insel Friol nahe Marseille einen fuer Westwind gut geschuetzten Hafen. Erleichert dass Boot und Besatzung den ersten Tag im Wesentlichen (Jutta war etwas seekrank, am Boot stellten wir Schlupf in der Steuerhydraulik fest, zudem stellte der Windmesser untertags seinen Dienst ein) gut ueberstanden haben, machen wir uns an der Mole fest.
Neu: Bimini und Windgenerator Endlich segeln: Port St. Louis achteraus
Was wir noch nicht wissen: Die ehemalige Quarantaeneinsel Friol wird uns fuer die naechsten vier Tage gefangen halten. Denn am naechsten Morgen dreht der Wind auf Ost, steht damit unserer Fahrtrichtung entgegen. Es sind zunaechst 5 Bft angesagt, wir beschliessen daher, gegen den Wind zumindest die paar Seemeilen bis zum naechsten Hafen zu fahren. Das Meer laesst diesen Versuch klaeglich scheitern. Denn statt der 5 Bft bekommen wir wieder 7 serviert. Nach einigen Stunden erfolgslosen Gegenanknueppelns laufen wir mit dem Wind wieder zurueck in den Hafen, beide komplett durchnaesst und salzverkrustet, Jutta zudem schwer seekrank. Wir vertaeuen das Boot, leider ist der Hafen nur bei Westwind ruhig. Bei Ost tanzen im Hafenbecken Schaumkronen und Schiffe auf dem Wasser. So auch wir. Jutta geht es im festgebundenen Boot nicht besonders gut. Wir machen daher ab und an Spaziergaenge auf der kargen Insel, tapfer nutzt sie aber dennoch die Situation, sich nun im Hafen an die bockigen Bewegungen eines kleinen Segelboots zu gewoehnen.
Gefangen auf Friol: 8 Bft im Hafen Korrodierter Stecker des Windmessers
Das Warten auf bessere Bedingungen drueckt auf die Stimmung und so sind wir froh, als wir mit unseren Stegnachbarn Mariano und Monique in Kontakt kommen. Die beiden wohnen das ganze Jahr auf ihrem Boot in Friol und nehmen das Wetter gelassen. Wir werden von den beiden auf ihr Boot zu franzoesischen Spezialitaeten eingeladen und lauschen Marianos Berichten zu seinen ausgedehnten Reisen. Am naechsten Tag koennen wir uns mit einer Einladung auf unser Boot revanchieren.
27.04.09: Die Flucht gelingt! Der Wind dreht auf West und wird etwas moderater. Endlich machen wir wieder Boden gut in die richtige Richtung. Das ist sehr foerderlich fuer die Stimmung an Bord, zur Feier des Tages zerlege ich abends die Hydraulikpumpe und reinige sie.
Mussten auf Friol leiden: Jutta sowie die blauen Schutzüberzüge unserer Fender
28./29.04.09: Lachen oder weinen? Der Wind legt schon wieder zu. In Spitzen messen wir 45 Knoten (also rund 80 km/h). Wir fahren trotzdem, da die Richtung passt. Ist zwar anstrengend, aber dafuer schnell. Nur unter Sturmfock laufen wir um die 7 bis 8 Knoten, die Wellen runter auch mal 9. Auf Moniques Rat hat sich Jutta in der Apotheke Mercalm gekauft. Das ist ein Mittel gegen Seekrankheit. Und es hilft! So koennen wir beide diese Tage des Starkwindes geniessen.
Wellen lassen sich nicht gern fotografieren. Salzwasserdusche vor St. Tropez
Die Wellen würfeln mit unserem Kajütinhalt. Nizza vor schneebedeckten Alpen
30.04.09: Das Meer hat endlich eingesehen, dass Jutta ihre Feuertaufe bestanden hat und schickt uns nun freundlichere Bedingungen. Bei angenehmen Temperaturen und moderatem Wind segeln wir an den teuren Orten Cannes, Antibes, Nizza, Monaco und Monte Carlo vorbei zu unserem letzten franzoesischem Hafen Menton. Einen Monat verbrachten wir nun in Frankreich seit Strasbourg. Wir lernten in dieser Zeit die Franzosen als sehr hoefliche und gastfreundliche Menschen kennen. Unzufrieden bin ich nur mit meinen eigenen Fortschritten im Erlernen der Sprache. Einige wenige Brocken konnte ich mir zwar aneignen aus meinem Buechlein. Nachdem ich zumeist aber den ganzen Tag auf meinem Boot sass, hatte ich nur wenig Gelegenheit, die Vokabeln in der Praxis zu festigen. Und irgendwie hatte ich zudem den Eindruck, dass Jutta bessere Fortschritte mit der franzoesischen Sprache machte als ich. Wie auch immer, ab morgen befahren wir italienische Gewaesser, das Sprachenlernen geht damit in eine neue Runde.
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